Es ist Sonntag, der 24.09.2023.
6 Uhr. Der Wecker klingelt. Wieso? Diese Frage geht mir beim Läuten des Quälgeistes durch den Kopf.
Es ist Marathontag. Der 49. BMW Berlin-Marathon steht in den Startlöchern.
Schlaftrunken geht es an die Vorbereitungen. Ein kleines Energiefrühstück, Kaffee, Bananen und Magnesium. Die Füße werden getapt. Das Lauftrikot der Bogenschützen wird mit der Startnummer versehen, die Schuhe werden geschnürt.
Schon ist es 8 Uhr und es geht mit dem Supportteam „Moabit“ in Richtung Startgelände. Vor die Kulisse des Reichstagsgebäudes.
Letzte Absprachen werden getroffen. An welchen Punkten werden Energiegels gereicht? Wo muss man sich in Pose für ein Foto schmeißen? Die wichtigen Dinge eben. Dann ist es endlich soweit. Auf geht es in Richtung Startblock für die zweite Startwelle.
Püntklich um 09:40 Uhr rollt die zweite Welle los. Es ist immer wieder ein überwältigendes Gefühl. Die ersten Kilometer sind zum Erwärmen sage ich immer. Es läuft ziemlich geschmeidig. Bei Kilometer 7 gibt es das erste Powergel von meinem Supportteam „Moabit“.
Die Atmosphäre entlang der Strecke ist elektrisierend. Tausende Menschen jubeln, feuern an und genießen das Leben. Dieses Gefühl überträgt sich auf jeden einzelnen Läufer, gibt zusätzlich Energie und verursacht jedes Mal enorme Gänsehaut.
Der Berlin-Marathon ist nicht nur ein Sportereignis, sondern auch ein Fest der Solidarität und des Gemeinschaftsgefühls welches man entlang der Strecke immer wieder zu spüren bekommt. Die Stadt Berlin öffnete ihre Tore für Menschen aus der ganzen Welt, die sich zum gemeinsamen Ziel des Laufens und der sportlichen Leistung versammeln.
Bei Kilometer 21 gibt es den nächsten Energieschub vom Team „Moabit“. Und dann ist auch schon die Hälfte geschafft. Ab jetzt wird nur noch runtergezählt. Von der Yorckstraße geht es nun weiter durch Schöneberg in Richtung Friedrich-Wilhelm-Platz. Dort wartet das Supportteam „Friedenau“ auf mich. Mit dem ultimativen Kick. Naturtrüber Apfelssaft mit einem Schuss Salz. Das hat sich über die Jahre bewährt um die Leistungsfähigkeit auf einem guten Level zu halten.
Ab Kilometer 30 wird nun gebissen. Am Nollendorfplatz kocht die Stimmung und lässt sie Beine leichter erscheinen. Alles Kopfsache. Der Körper ist zu erstaunlichen Leistungen fähig.
Die letzten Kilometer ziehen sich dennoch wie Kaugummi. Endlich erscheint das Schild „Kilometer 40“. Jetzt weiß man wie viele Kurven noch durch „Mitte“ kommen. Aber trotzdem hat man das Gefühl, dass über die Jahre immer mehr Ecken und Wendungen dazukommen.
Und dann sieht man sie; die letzte Kurve die auf die letzte Gerade einbiegt. Zu erkennen an den noch grünen Kronen der Linden. Ich biege ein letztes Mal nach links ab. Nur noch geradeaus lautet jetzt die Devise. Die Straße „Unter den Linden“ bezeichne ich gerne als Schwebestraße. Das Jubeln, das Singen, das Klatschen der Menschenmengen lässt einen nahezu schweben. Immer wieder bin ich einfach nur überwältigt. Dann durch das Brandenburger Tor. Die wohl längsten 200 Meter folgen. Genuss auf ganzer Linie. Dann endlich überquere ich nach 42,195 km die Ziellinie mit einer neuen persönlichen Bestzeit von 3 Stunden, 31 Minuten, 5 Sekunden. Glücklich, verschwitzt, den Tränen nah und unheimlich stolz auf alle die sich dieser Herausforderung bis zum Schluss gestellt haben.
Wieso der Wecker um 6 Uhr? Genau für dieses Gefühl.
Text: Martin B.